Schutzgemeinschaft Deutscher Wald
Landesverband Brandenburg e. V.

Flächenverbrauch

Bei der Erstellung des ersten Positionspapiers der SDW zum Flächenverbrauch 2006 wurden noch über 100 Hektar freie Landschaft am Tag durch Zersiedlung und Versiegelung verbaut oder von Verkehrswegen zerschnitten; das entspricht einer Fläche von 125 Fußballfeldern. 2013 waren es noch 74 Hektar (oder 106 Fußballfelder), heute sind es noch rund 52 Hektar oder 73 Fußballfelder. Der Trend geht in die richtige Richtung, aber es ist noch ein weiter Weg bis zum Ziel von 30 Hektar am Tag bis 2030. Nach der Neuauflage der deutschen Nachhaltigkeitsstrategie soll bis zum Jahr 2050 sogar die Null stehen und eine „Flächenkreislaufwirtschaft“ erreicht sein.

Als Waldschutzverband setzen wir uns besonders auch dafür ein, dass große zusammenhängende Waldflächen in ihrer Ausdehnung erhalten und nicht weiter durch Transportwege zerschnitten werden und dadurch die Tier- und Pflanzenwelt beeinträchtigt wird.

Gemeinsames Positionspapier der Umwelt- und Naturschutzverbände zum Thema „Reduzierung der Flächeninanspruchnahme“

Landschaftsverbrauch zurückfahren!

Ökologisch notwendig, sozial verantwortlich und wirtschaftlich vernünftig

Einführung

Gegenwärtig werden in Deutschland jeden Tag über 50 Hektar freie Landschaft durch Zersiedlung und Versiegelung verbaut oder von Verkehrswegen zerschnitten; das entspricht einer Fläche von 73 Fuß-ballfeldern. Der größte Teil hiervon wird für neue Siedlungs- und Gewerbegebiete benötigt, rund ein Viertel für neue Straßen und andere Verkehrswege. Dieser Verlust wertvoller Flächen in Deutschland ist deutlich zu hoch und hält seit Jahren auf hohem Niveau an. Damit verbunden sind gravierende Folgen für Natur und Umwelt sowie für eine effiziente und sozialverträgliche Flächennutzung. Was die Reformen der Sozialsysteme vorantreibt, muss uns auch hier die Augen öffnen: Mit einem „Weiter so!“ sind in kurzer Zeit die notwendigen Handlungsspielräume für kommende Generationen verbaut.

Wir weisen seit vielen Jahren auf die fatale Entwicklung einer zu hohen Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlung und Verkehr hin. Jetzt veranlassen uns die sich verschärfende Situation der öffentlichen Haushalte und die demografische Entwicklung erneut zu einer öffentlichen Stellungnahme. Aus unserer Sicht darf es so nicht weiter gehen! Ein Umdenken und ein umfassendes Handeln von Bund, Ländern und Kommunen sind zwingend erforderlich, um das Ziel einer nachhaltigen Flächennutzung erreichen zu können.

Ursachen für den Landschaftsverbrauch

Staatliche Anreize sind ein wesentlicher Grund für den anhaltenden Landschaftsverbrauch. In der Hoffnung auf die Ansiedlung neuer Gewerbebetriebe und die Schaffung neuer Arbeitsplätze weisen viele Kommunen – angetrieben von der Aussicht auf steigende Einnahmen aus der Gewerbesteuer und oft unterstützt durch staatliche Fördermittel – großzügig Gewerbegebiete aus. Betriebsverlagerungen auf neue Flächen werden selbst dann gefördert, wenn sie insgesamt keinen Zuwachs an Arbeitsplätzen bringen. Häufig gehen Arbeitsplätze, die an einem Ort geschaffen werden, andernorts verloren. Steuerliche Anreize durch die Grundsteuer heutiger Prägung ebenso wie die Eigenheimzulage in der Vergangenheit unterstützen den Trend zur Zersiedlung der Landschaft.

Die Problematik des anhaltenden Landschaftsverbrauchs

Der ungebrochene Landschaftsverbrauch hat gravierende Umweltfolgen: Neben der unmittelbaren Schädigung und dem Verlust fruchtbarer Böden wird der Wasserhaushalt beeinträchtigt, mit der Folge einer wachsenden Hochwassergefahr und einer gestörten Grundwasserneubildung. Biotope werden geschädigt oder zerstört, Landschaften werden zerschnitten, viele Wälder sowie agrarisch genutzte Ökosysteme sind nicht mehr oder nur noch eingeschränkt als Lebensraum für Tiere mit größeren Aktionsradien tauglich. Die verloren gehenden Äcker, Wiesen und Wälder fehlen nicht nur den Bauern als Produktionsgrundlage, sondern sie werden zu großen Teilen versiegelt und können ihre Funktion im Umwelthaushalt nicht mehr erfüllen. Für den Menschen gehen wichtige Erholungsräume sowie das Empfinden dafür was „Heimat“ ausmacht verloren.

Die Inanspruchnahme neuer Flächen für Siedlung und Verkehr geht nicht nur zu Lasten der Natur- und Kulturlandschaft. Immer deutlicher werden die sozialen und ökonomischen Folgen des Landschaftsverbrauchs, die ein Umdenken erforderlich machen. Städte und Gemeinden weisen weiterhin neue Wohngebiete aus, obwohl die Bevölkerung bereits heute regional zum Teil deutlich abnimmt. Steuerliche Vergünstigungen und Subventionen, die den Landschaftsverbrauch fördern, lösen Entleerungseffekte vor allem in den Innenbereichen der Städte aus. Dies führt dort zur Unterauslastung wichtiger Versorgungseinrichtungen. Nicht ausgelastete und ggf. geschlossene Schulen und Kindergärten sowie die Zunahme der Wohnungsleerstände kennzeichnen bereits heute die Situation nicht nur in vielen Stadtteilen sondern auch in ländlichen Gemeinden.

Kurze Wege und lebendige Orte gewährleistende Nutzungsmischungen zwischen Wohnen, Handel und Gewerbe sowie belebte Innenstädte und Stadtteilzentren gehen zunehmend zugunsten großflächiger Gewerbegebiete und langweiliger Einfamilienhaussiedlungen am Stadtrand verloren. Mit dem Wegzug derer, die in der Stadt keine für sie attraktiven Wohnbedingungen finden, verändern sich die sozialen Strukturen in ganzen Stadtteilen. Die Kernstädte kämpfen bereits heute um eine ausgewogene Zusammensetzung der Bevölkerung und um den Verbleib zahlungskräftiger Betriebe.

Die Erschließung weiterer Wohn- und Gewerbegebiete wird für die Kommunen und ihre Bürger zunehmend zu einem finanziellen Risiko, weil die Erschließungskosten und die Kosten zur Aufrechterhaltung der Infrastruktur bei der – wie oftmals bereits heute absehbar – künftig wieder rückläufigen Auslastung die kommunalen Einnahmen übersteigen werden. Dabei wissen Bund, Länder und Kommunen schon heute nicht mehr, wie sie allein die Unterhaltung des vorhandenen Straßennetzes finanzieren sollen. Auch die dringend erforderliche Renovierung und Modernisierung unserer Städte sowie die Reaktivierung des enormen Brachflächenbestandes stockt bereits in vielen Städten. Finanzielle Risiken drohen auch privaten Haus- und Wohnungseigentümern. Denn Immobilien gelten wegen der in vielen Regionen und Lagen schon heute rückläufigen Nachfrage und des entsprechenden Preisverfalls längst nicht mehr als sicherste Form der Altersvorsorge. Dieses Phänomen und diese Erkenntnis werden sich weiter zuspitzen.

Neue Wege zu einem nachhaltigen Umgang mit der Landschaft

Wir begrüßen, dass die Bundesregierung im Rahmen der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie die Flächeninanspruchnahme bereits im Jahr 2002 zu einem Schwerpunktthema der nachhaltigen Entwicklung gemacht hat und – wie 1998 bereits die damalige Bundesumweltministerin und heutige Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel – das Ziel gesetzt hat, sie bis zum Jahr 2020 auf maximal 30 Hektar pro Tag zu reduzieren. Auch wir sehen hierin eine der derzeit größten umweltpolitischen Herausforderungen. Stoppen lässt sich die enorme Flächeninanspruchnahme allerdings nicht per Ankündigung. Es ist an der Zeit aufzuzeigen, mit welchen konkreten Arbeitsschritten dieses Ziel erreicht werden soll. Was jetzt nötig ist, sind politische Weichenstellungen und entsprechende Gesetzesinitiativen. Es müssen mögliche Handlungsfelder mit konkreten Maßnahmen sowie ein verbindlicher Zeitplan benannt werden, die auf unterschiedlichen Handlungsebenen ansetzen. Verantwortlich hierfür sind alle politischen Ebenen: Bund, Länder und Kommunen.

Erforderlich ist aus unserer Sicht ein auf das „0-Hektar-Ziel“ der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie hinwirkendes kohärentes System rechtlicher, planerischer und ökonomischer Instrumente. Im Kern geht es darum, sich von der Wachstumsphilosophie im Planen und Bauen zu verabschieden und die auf Boden, Fläche und Immobilien wirkenden Steuerungsinstrumente zugunsten der Bestandspflege und - entwicklung umzuwidmen, also eine nachhaltige Entwicklung im ökologischen, ökonomischen und sozialen Sinne zu fördern.

Vor allem muss das Wirtschaftswachstum vom Landschaftsverbrauch dauerhaft entkoppelt werden. Dazu ist es erforderlich, die Finanzausstattung der Kommunen von weiterem Landschaftsverbrauch unabhängig zu machen. Denn längst hat der Flächenverbrauch durch das Ausweisen von großzügigem und preiswertem Bauland viele Kommunen in die missliche Lage gebracht, dass einerseits die neu ausgewiesenen Baugebiete keine Abnehmer finden („beleuchtete Schafswiesen“) und andererseits in den Ortskernen Gebäude und vormals genutzte Grundstücke brachliegen, weil sich angesichts der niedrigen Grundvermögens-besteuerung eine effiziente Nutzung von Grundstücken und die Wiederaufbereitung von innerörtlichen Brachflächen für Investoren nicht lohnt. Die laufenden Kosten für die ungenutzte Infrastruktur im Ortskern wie auf der grünen Wiese belasten aber dauerhaft die kommunalen Haushalte und tragen zur Neuverschuldung bei. In kurzer Zeit werden damit die notwendigen Handlungsspielräume für kommende Generationen verbaut.

Konzertierte Aktion von Bund, Ländern und Kommunen gefordert

Wir fordern Bund, Länder und Kommunen dazu auf, auf der Grundlage des ersten Fortschrittsberichtes der nationalen Nachhaltigkeitsstrategie im Rahmen einer konzertierten Aktion ein gemeinsames Maßnahmenkonzept zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme zu entwickeln. Dabei sollten auch die zukunftsweisenden Handlungsempfehlungen des Rates für Nachhaltige Entwicklung aufgegriffen werden. Der Bund sollte hierzu den Anstoß geben und die koordinierende Rolle bei der Querschnittsaufgabe „Reduzierung der Flächen-inanspruchnahme“ übernehmen. Der Fortschrittsbericht 2006 sollte den bis dahin zwischen Bund, Ländern und Kommunen vereinbarten Fahrplan und die Aufgabenverteilung enthalten.

Bei der Entwicklung eines Maßnahmenkonzeptes ist es wichtig, die wechselseitigen Beziehungen rechtlicher, planerischer und ökonomischer „Stellschrauben“ innerhalb der Gesamtstrategie zu identifizieren und aufeinander abzustimmen. Das bedeutet, dass neue Initiativen zur Reduzierung des Landschaftsverbrauchs keinesfalls durch fortbestehende, falsch ausgerichtete Subventionen und steuerliche Anreize konterkariert werden dürfen. Fehlanreize müssen beseitigt und stattdessen in Anreize für einen sparsamen und effizienten Umgang mit der Fläche umgewandelt werden.

Vor allem ist eine ökologische Reform des Gemeindefinanzsystems erforderlich, welche die Grundsteuer, die Gewerbesteuer, den Einkommensteueranteil der Kommunen und den kommunalen Finanzausgleich umfassen muss. Auch die Grunderwerbsteuer bedarf einer entsprechenden Umgestaltung. Ein zukunftsfähiger kommunaler Finanzausgleich muss das Freihalten der Landschaft für die Erholung und den Schutz der natürlichen Ressourcen berücksichtigen.

Zudem bedarf es einer Umkehr in dem für Boden, Fläche und Immobilien relevanten Fördersystem des Bundes und der Länder. Die Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgaben finanzieren, vielfach erst ermöglicht durch Mittel der EU, noch zu häufig flächenzehrende Projekte. Hier gilt es umzusteuern auf die ausschließliche Förderung von bestandserhaltenden Projekten sowie von Vorhaben, die innerhalb der bestehenden Siedlungsgrenzen durchgeführt werden. Auch die Höhe der Entfernungspauschale gehört weiterhin auf den Prüfstand.

Eine Abkehr von der auf Expansion fixierten Planungsphilosophie, eine entsprechende Anpassung des Planungsrechts an die Notwendigkeiten der Bestandspflege und -entwicklung und sich darauf gründende, dem Ziel der Nachhaltigkeit verpflichtete Planungen der für die Regional- und Bauleitplanung zuständigen Länder und Kommunen, müssen diese Rahmensetzung sinnvoll ergänzen. In Anbetracht der von der Bundesregierung angeregten Diskussion über Qualität und Quantität der Flächeninanspruchnahme muss ebenfalls eine konkrete Erfassung von quantitativen und qualitativen Aspekten der Flächeninanspruchnahme verfolgt werden. Im Mittelpunkt muss hierbei ein verbessertes Monitoring der Flächenentwicklung stehen.

Die gravierenden Folgen eines „Weiter so!“ müssen allen relevanten Akteuren, öffentlichen wie privaten, klar vor Augen geführt werden. Neue Leitbilder künftiger Entwicklung müssen in der Gesellschaft diskutiert und Lösungswege aufgezeigt werden. Die sozialen, ökologischen, ökonomischen, auch arbeitsmarkt- und finanzpolitischen Vorteile des Engagements für und des Investierens in den Bestand müssen weiter bekannt gemacht werden.

Die unterzeichnenden Umwelt- und Naturschutzverbände bieten Bund, Ländern und Kommunen ihre Mitarbeit bei der Umsetzung der erforderlichen Maßnahmen zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme an und sind insbesondere bereit, konkrete Beiträge zur Bewusstseinsbildung zu leisten.

Unterzeichnende Umwelt- und Naturschutzverbände

  • Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND)
  • Bund Heimat und Umwelt (BHU)
  • Bund Naturschutz in Bayern (BN Bayern)
  • Bundesverband Beruflicher Naturschutz (BBN)
  • Deutscher Jagdschutzverband (DJV)
  • Deutscher Naturschutzring (DNR)
  • Deutscher Rat für Landespflege (DRL)
  • Europarc Deutschland
  • Grüne Liga
  • Landesbund für Vogelschutz in Bayern (LBV)
  • Naturschutzbund Deutschland (NABU)
  • Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW)
  • Stiftung Europäisches Naturerbe (EURONATUR)
  • Verband Deutscher Naturparke (VDN)
  • WWF Deutschland (WWF)
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